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Zu Land, zu Wasser und in der Luft – „Nicht-Olympisches“ auf aktueller Briefmarkenserie „Für den Sport“

Nun hat auch das Faustball-Spiel seine „eigene“ Briefmarke! Bundesfinanzministerium, Post und Sporthilfe ist es zu verdanken, dass eine der wohl urtypischsten deutschen Sportarten endlich ein philatelistisches Denkmal bekommen hat. Denn noch nie, auch international nicht, hat es der „Fistball“ als Motiv auf eine Briefmarke geschafft. Die ca. 40-tausend aktiven deutschen Faustballerinnen und Faustballer, aber auch die Sportbriefmarken-Sammler wird es freuen. Im Rahmen der alljährlichen Serie „Für den Sport“ sind ab 5.Mai 2022 neben dem Faustball mit dem Fallschirmspringen und Wakeboarden noch zwei weitere nicht olympische Sportarten als Motive im postalischen Angebot, die bisher ebenfalls ein sportphilatelistisches Nischendasein in Deutschland fristeten.

Gestaltet wurden die diesjährigen Marken „Für den Sport“ von Professor Armin Lindauer aus Mannheim, der schon 2019 die „Legendären Olympiamomente“ kreiert hatte.

Diesmal bezog Lindauer seine Ideen aus drei Fotos, die er als grafische Vorlagen benutzte. Als Quellen hat er offiziell gekennzeichnet:

Motiv „Fallschirmspringen“ nach einer Vorlage © Bundesheer/Schabhüttl,
Motiv „Wakeboarden“ nach einer Vorlage © Andre Magarao, Cumbuco, Brazil und Motiv „Faustball“ nach einer Vorlage © Thomas Langer, Nottuln.

Meine zusätzlichen Recherchen zu den Fotos ergaben weitere interessante Geschichten und Hintergründe zu den drei Briefmarken und den dargestellten Sportarten.

Faustball – eine deutsche Erfolgssportart

Wer hat schon mal was Nottuln gehört? Also Nottuln ist eine kleine Gemeinde im Kreis Coesfeld etwa 20 Kilometer westlich von Münster in Nordrhein-Westfalen. Die dortige Männermannschaft der SG Coesfeld/Nottuln spielt seit 2015 in der 2. Faustball Männer Bundesliga Nord. Spielertrainer der Mannschaft ist Thomas Langer, der zufällig auch für die fotografische Vorlage der Briefmarke gesorgt hat. Denn viele der Faustballfotos auf der Webseite von Grün Weiß Nottuln 1919 e.V. stammen von ihm. Für die Vorlage könnte Grafiker Armin Lindauer durchaus dieses Foto genommen haben, das einen der Nottulner Sportler in Aktion zeigt.

Thomas Langer (als Ältester unten auf dem 2020er Foto der Mannschaft leicht zu erkennen) liebt und lebt den Faustball seit seinem 13. Lebensjahr. In Kiel hat er als Student zunächst in der Zweiten und später sogar für Ludwigshafen-Oggersheim einige Jahre in der 1. Faustball Bundesliga gespielt und es sogar zu zwei Länderspielen für Deutschland gebracht.  Der heute 56-jährige studierte Mathematiker, der an der Universität Mannheim in Betriebswirtschaftslehre promoviert wurde, ist seit 2004 Professor an der WWU Münster und leitet dort den Lehrstuhl für Finanzierung.

Als Spielertrainer der Zweitliga-Mannschaft von Coesfeld/Nottuln ist er dem Faustball bis heute treu geblieben. Bereits zu vierten Mal hat der Verein bis jetzt den Klassenerhalt geschafft. Anteil daran hat auch sein Sohn Hendrik (25), mit dem er zusammen den Angriff in der Mannschaft bildet. „Natürlich ist die Erwartung eines Vaters an seinen Sohn schon recht groß. Aber mittlerweile muss ich mir schon mal Kritik von meinem Sohn an dem Spieler Thomas Langer anhören. Etwa, wenn ich mit meinem Alter nicht mehr schnell genug am Ball bin und mein Sohn, um das auszubügeln, dahinfliegen muss, wo es weh tut. Dann kommt schon mal ein Spruch…“, so Thomas Langer unlängst in einem „WN“-Zeitungsinterview. Für ihn ist … „Faustball ein unglaublich athletisches und dynamisches Spiel, für das man Ballgefühl, Kraft, Ausdauer und Laufstärke benötigt.“

Faustball ist am ehesten mit Volleyball zu vergleichen: Der Ball wird mittels Angabe ins gegnerische Feld befördert, dort angenommen, zugespielt und schließlich wieder zurückgeschlagen. Hierbei gibt es einen entscheidenden Unterschied zum Volleyball: Der Ball darf nur mit einer Faust bzw. einem Arm berührt werden, d.h. ein beidarmiges „Baggern“ ist nicht erlaubt. Dies hat allerdings den Vorteil, dass man einen Arm wesentlich schneller und weiter strecken kann als zwei Arme.

Der zweite wichtige Unterschied besteht darin, dass der Ball vor jeder Berührung einmal auf den Boden schlagen darf, was bei dem ungleich größeren Spielfeld eine völlig andere Ausrichtung der Schläge in die Weite zur Folge hat.
Ein weiterer Unterschied ist , dass die Positionen fest sind. Es gibt also Spezialisten für Angriff, Zuspiel und Verteidigung.
Faustball gehört zu den ältesten Sportarten der Welt. Schon im dritten Jahrhundert v.Chr. soll das Spiel in Italien betrieben worden sein. In Deutschland wurde die Sportart erst im Jahre 1870 eingeführt. Hauptsächlich von Turnern als Ballsport zum Ausgleich betrieben, galt Faustball bald als Turnersportart. 1885 wurde es in Dresden erstmals bei einem Deutschen Turnfest  vorgeführt. Da damals kaum Sporthallen existierten, fand das Spiel hauptsächlich im Freien statt. In dieser Zeit verbreitete sich Faustball in die umliegenden, vor allem deutschsprachigen Nachbarländer, und deutsche Auswanderer trugen den Sport in alle Kontinente , speziell aber nach Südamerika und Südwestafrika.

Anlässlich des Deutschen Turnfestes 1913 in Leipzig wurde die erste deutsche Meisterschaft der Männer ausgetragen, die von  LLB Frankfurt  mit 114:101 gegen den MTV München 1879 gewonnen wurde. 1960 wurde der Internationale Faustballverband (IFV) gegründet. Für den ersten internationalen deutschen Erfolg sorgte eine DDR-Mannschaft. 1963 wurde in Linz/Österreich zum ersten Mal um den Europapokal der Landesmeister gespielt. Da die Mannschaften aus Hirschfelde (DDR), TV Passau (BRD) und ATSV Linz (Österreich) nach der Hauptrunde punktgleich auf dem ersten Platz lagen, musste eine Entscheidungsrunde ausgetragen werden, die die ISG Hirschfelde mit zwei Siegen gegen Passau und Linz am 25. August 1963 für sich entscheiden konnte.

Für die DDR-Faustballer war dies ein Riesenerfolg. Die BSG Chemie Zeitz gewann danach den Titel von 1966 bis 1969 sogar dreimal in Folge. Die DDR-Männer-Nationalmannschaft holte 1965 und 1970 jeweils EM-Bronze und -Silber. Bei der 1. Weltmeisterschaft der Männer 1968 in Linz belegte sie den dritten Platz. Die ostdeutsche Erfolgsstory endete Anfang der 1970er Jahre abrupt. Grund war der sogenannte Leistungssportbeschluss des DTSB von 1969, der nur noch medaillenintensive olympische Sportarten entsprechend förderte. Für die DDR-Faustballer kam erschwerend hinzu, dass man das einzige sozialistische Land war, in dem Faustball gespielt wurde. Ansätze, Tschechien oder Polen für den Sport zu begeistern, scheitern früh. Faustball konnte somit ab 1971 in der DDR nur noch auf Betriebssport-Basis und ohne nennenswerte Förderung und Wettkampfreisen ins Ausland betrieben werden.

Für die internationalen deutschen Erfolge sorgten von da an bis zur Wiedervereinigung 1990 allein die Faustballerinen und Faustballer der BRD. Danach ging es gemeinsam erfolgreich weiter. Die Männer wurden seit 1968 bis jetzt 12-mal Weltmeister, die Frauen sicherten sich seit 1994 siebenmal den Titel.

Mit der aktuellen Faustball-Briefmarke rückt auch die 16. WM der Männer in den Mittelpunkt, die vom 23.-29. Juli 2023 in Mannheim ausgetragen wird. Nach 1972, 1982 und 2007 ist Deutschland damit zum vierten Mal Gastgeber einer WM. Die Vorrunde wird im Rhein-Neckar-Campus mit 5000 Zuschauerplätzen gespielt. Die Hauptrunde soll in der 12.000 Zuschauer fassenden SAP-Arena stattfinden, in der erstmals für eine WM Naturrasen verlegt werden soll. 16 Mannschaften und 30.000 Fans werden erwartet. Für Mannheim ist die WM neben der Bundesgartenschau der Höhepunkt für das kommende Jahr.

Wakeboarden – Snowboarden des Sommers

Das englische Wort „wake“ bedeutet in diesem Fall „Kielwelle“. Die Wurzeln des Wakeboardens gehen weit zurück. Schon Surfer, die auf Wellen warteten, ließen sich von Motorbooten ziehen. Das eigentliche Wakeboarden entstand aber in den 1950er Jahren aus dem Wasserski. Der Unterschied zwischen Monowasserski und Wakeboard liegt heute in Größe und Form der Bretter und der Fußstellung. Im Gegensatz zum Surfbrett besitzt das Wakeboard eine Bindung zum Festschnallen der Füße.

Der Waker steht seitlich zur Fahrtrichtung auf dem Brett und wird von einem Motorboot, einem Wasserskilift oder auch von einem Segel-Drachen gezogen. Dabei vollführen die Sportler Figuren und Tricks.

1995 kam es in Berlin zur Gründung des ersten deutschen Wakeboard-Vereins. 2001 wurden in Duisburg die ersten Weltmeisterschaften ausgetragen. Seit Jahren ist diese Trend- und Funsportart schon für viele richtiger Leistungssport. 2005 wurde die Disziplin ins Programm der World Games aufgenommen. Selbst das IOC hatte Cable-Wakeboarden 2011 als eine von sieben Sportarten auf die sogenannte Short List von zusätzlichen Disziplinen für die Olympischen Spiele 2020/21 in Tokio gesetzt. Am Ende „verlor“ Wakeboarden aber gegen Baseball/Softball, Karate, Skateboarden, Sportklettern und Surfen.

70 Wasserski- und Wakeboard-Anlagen gibt es in Deutschland. Sie funktionieren ähnlich wie ein Skilift. Allerdings geht es nicht darum, einen Sportler vom Tal auf den Berg zu bringen – sondern waagerecht übers Wasser zu ziehen. Über mehrere Masten ist ein starkes Seil gespannt, das von einem Motor in Bewegung gesetzt wird. Von diesem Hauptseil hängen einzelne Seile herab. Die Wasserskifahrer greifen danach, halten sich fest – und los geht’s. Dabei sausen die neoprengekleideten Sportler mit 30 Stundenkilometern über einen 760 Meter langen Parcours und passieren unterwegs eine Reihe von Hindernissen. Eine Runde dauert etwa 90 Sekunden.

Die deutschen Athletinnen und Athleten gehören seit Jahren zur Weltspitze und holten schon etliche WM- bzw. EM-Titel. Jetzt haben sie endlich auch ein eigenes landesweites offizielles Briefmarken-Motiv.

Bislang war in Deutschland Wasserskifahren nur von der „Nordkurier Logistik Brief + Paket“ 2011 anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des Wasserskiclubs Luzin in Feldberg/Mecklenburg-Vorpommern auf einer Briefmarke und einem FDC herausgebracht worden.

Die grafische Foto-Vorlage für die aktuelle Wakeboard-Briefmarke stammt von Andre Magarao (Foto unten), einem international bekannten und vielfach ausgezeichneten brasilianischen Sportfotografen, der schon über 600 Aufnahmen in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht hat.

Fallschirmspringen heißt heute „Swooping“ oder „Canopy Piloting“

Nichts scheint mehr so, wie es einmal war. Auch die gute alte Sportart Fallschirmspringen hat sich im Laufe der Jahre ganz schön gewandelt. Als die ersten und einzigen deutschen Briefmarken mit Fallschirmsprung-Motiven 1966 von der DDR-Post anlässlich der VIII. Weltmeisterschaften in Leipzig-Mockau veröffentlicht wurden, waren die Disziplinen noch übersichtlich.

Es gab den Einzel- und Gruppenzielsprung. Später kam noch das Figurenspringen hinzu. Heute untergliedert sich der Sport lt. Wikipedia in neun Wettkampfdisziplinen. Hinzu kommen noch sechs „klassische“ sowie sieben andere sportliche und militärische Sprungverfahren.

Auf der aktuellen Briefmarke „Für den Sport“ ist die vergleichsweise junge Disziplin Canopy Piloting abgebildet, die auch bei den diesjährigen World Games in Birmingham/USA vertreten sein wird. Beim Swooping (vom englischen to swoop – herabschießen) werden teilweise sehr kleine und agile Hochleistungsfallschirme durch eine Drehung beschleunigt. Diese Drehung beginnt in 200 bis 350 Metern Höhe. Der Fallschirmspringer erreicht dabei eine Vertikalgeschwindigkeit von 120 km/h und mehr. Die so aufgenommene Geschwindigkeit nimmt er dann in einen langen horizontalen Gleitflug, den „Swoop“, mit. Je nach Windstärke beträgt die Geschwindigkeit bis zu 150 km/h direkt über dem Boden.

Swooping wird oft über künstlichen Wasseroberflächen, sogenannten Ponds, ausgeführt. Dabei kann man das Wasser mit den Beinen und Füßen, aber auch den Händen berühren. In Deutschland gibt es nur noch einen so genannten Swooppond. Dieser befindet sich in Roitzschjora  bei Leipzig.

Für die aktuelle Briefmarke hat Grafiker Armin Lindauer ein Foto verwendet, das von Dietmar Schabhüttl stammt. Der Stabswachtmeister des österreichischen Bundesheeres hat es anlässlich der 44. Militärweltmeisterschaft im Fallschirmspringen 2020 auf dem Flugfeld Punitz/Österreich „geschossen“.

(Autor: KJA)